Ein Tennisspieler streckt seinen Arm hoch über seinen Kopf. Er balanciert in der Luft, beugt sich nach hinten, sein ganzer Körper richtet sich danach aus, den Ball kraftvoll zu schlagen. Ein anderer Spieler hat sein Gleichgewicht verloren und liegt, besiegt, am Boden.

Mit Szenen, wie die oben beschriebene, welche von einer Sportfotografie in eine körperhafte Skulptur oder Plastik übersetzt werden, erkundet die britische Künstlerin Lucy Teasdale (*1984) den Balanceakt zwischen Körper, Form und Komposition. Ausgangspunkt ihrer Arbeit sind dabei meist Fotografien, denen bereits etwas Bedeutsames innewohnt. Sie findet ihre Inspiration sowohl in historischen Abbildungen und barocken oder manieristischen Motiven, als auch durch Reportagefotografie aus Tageszeitungen und Magazinen. Dabei wählt die Künstlerin Silhouetten und Muster aus und „exzerpiert“ dynamische Bewegungen aus den Fotografien. Die durch Teasdale entstehenden Arbeiten entfalten eine starke, eigene Formsprache.

Während des Übersetzungsprozesses von der Fotografie in eine dreidimensionale Figur, erforscht Teasdale die Auswirkungen beim Umkehren der Verhältnisse: Was passiert, wenn man den Hintergrund nach vorne bringt? Oder wie wirkt es sich aus, wenn einzelne Muster stärker herausgearbeitet werden als andere?

Wie die Künstler des Manierismus ist auch Teasdale fasziniert von der Bewegung, der Energie und der Überspannung der Figuren. Bei den Werken von Teasdale gibt es keinen vorgegebenen Betrachtungspunkt. Sie lädt den Betrachter ein die vielen Betrachtungsmöglichkeiten ihrer Werke selbst zu erforschen. Ihre meist unbetitelten Arbeiten lassen dabei einen großen Spielraum für Interpretationen und Deutungen zu, trotz der ursprünglich figurativen Motivauswahl.

Die Form der Plastik ist nicht in Gänze vorgegeben, sondern erwächst im Entstehungsprozess und dieser hält bei Teasdale fortwährend an, bis die Form in einer gegossenen Skulptur ihren Endzustand findet. Die Künstlerin benutzt eine Vielzahl von Materialien wie Bronze, Acrystal und Gips für ihre monochromen Skulpturen. Zusätzlich benutzt sie manchmal Spielsachen in ihren Arbeiten, welche verformt werden und ihre Werke mit Referenzen der Literatur oder Popkultur erweitern.

Die Skulpturen und Plastiken von Lucy Teasdale balancieren zwischen Figuration und Abstraktem. Trotz der starken Abstraktion überlässt die Künstlerin ihren Arbeiten erkennbare, figurative Momente, die dem Betrachter aus manchem Winkel den Hauch von etwas Vertrautem andeuten. Dieses flüchtige Erkennen ist von kurzer Dauer, so entzieht sich beim bewegten Betrachten eine eindeutige Bestimmung fortlaufend.

Lucy Teasdale wurde 1984 in Birmingham geboren. Sie schloss 2010 an der Kunstakademie Düsseldorf unter Tony Cragg ab. Sie lebt und arbeitet in Berlin.